Diesen Artikel habe ich gerade für ein Stadtteilzentrum geschrieben:
Was unterscheidet Integration von
Inklusion?
Inklusion |
Inklusion – ein vielbenutztes
Wort in den Medien. Manchmal sieht es so aus, als wäre Inklusion irgendwas mit
Rollstuhl und Schule. Oder „dass behinderte und nicht behinderte Kinder jetzt
zusammen lernen müssen.“ Beides trifft es nicht so ganz:
Inklusion ist ein Modell vom Zusammenleben, in dem
Teilhabe ein Menschenrecht ist, in dem Menschen mit unterschiedlichen
Voraussetzungen wie Alter, Geschlecht, Zuwanderungsgeschichte, sexueller
Orientierung, Begabungen, Behinderungen, chronischen Erkrankungen
gleichberechtigt teilhaben können, das heißt, in alle Lebensbereiche einbezogen
sind.
In eine Gesellschaft, in der
Vielfalt ein Wert und das Normale ist. Der Begriff „Inklusion“ (Inclusio =
Einschluss) kommt auch nicht nur in der Sozialpolitik oder Bildung vor, sondern
auch in der Metallkunde und Mineralogie, in der Stoffe oder Organismen
eingeschlossen werden. Ein Professor beschrieb Inklusion mal so:
„Wenn ein Insekt, in einem
Bernstein eingeschlossen, an einer Kette hängt, dann haben Sie die Inklusion am
Hals!“
In einer inklusiven Gesellschaft ist Teilhabe ein
Menschenrecht. Dieser Satz ist so
einfach wie bedeutend. Teilhabe – so definiert es die
Weltgesundheitsorganisation – bedeutet „Einbezogensein in eine Lebenssituation“.
Gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen, das ist das Ziel der UN-Konvention
über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Das heißt, niemand entscheidet,
wer am Unterricht oder in einem Kurs im Stadtteilzentrum teilnehmen darf und
wer nicht, sondern es geht darum, Bedingungen zu schaffen, damit jemand teilnehmen kann. Damit stellt das gelebte Prinzip der Inklusion auch Denk-,
Fürsorge- und Machtstrukturen infrage.
Es gibt unterschiedliche
Meinungen darüber, ob Inklusion eine Fortführung der Integration oder etwas
ganz anderes ist. Für mich ist es in jedem Fall ein Fortschritt, ein Prozess.
Im Kommunalen
Index für Inklusion werden Strukturen und Kultur von Einrichtungen und
Organisationen unter dem Aspekt der Inklusion beleuchtet:
Inklusion ist eine Frage
der Kultur – Grafik aus dem Kommunalen Index für Inklusion
Inklusion ist eine Frage der
Wertschätzung, eine Frage des Erkennens von Stärken, mit der sich Menschen in
die Gesellschaft einbringen können, ausgehend von der Frage: Fühlt sich jede*r
willkommen?
Wenn ich Bürgerbeteiligung bzw.
mehr Besucher*innen will, wie gestaltet sich dann Veranstaltungsplanung? An
dieser Stelle eine kleine Anekdote:
Ich hatte mich zu einer Konferenz angemeldet, die sich mit Bürgerbeteiligung befasst. In der Einladung keine Hinweise zur Barrierefreiheit Also frage ich nach: „Ich bin mit einem Rollstuhl unterwegs – ist der Veranstaltungsort dafür geeignet?“ „Ja, wir sind vollkommen barrierefrei!“ Also mache ich mich auf den Weg: kein rollstuhlgerechter Parkplatz, Drehtür am Eingang, durch die ich nicht durchkomme. Also klopfe ich ans Fenster und werde irgendwann gehört und dann öffnet man mir einen Seiteneingang, im Foyer nur Stehtische, aufs Podium keine Rampe, alle Beiträge nur zu hören, d.h. kein Gebärdensprachdolmetscher, keine Schriftdolmetschung.
Bürgerbeteiligung geht eben
nur mit Barrierefreiheit. Wieder ein
oft benutztes Wort, aber was bedeutet es genau unter dem Aspekt der Teilhabe?
In Artikel 9 der UN-Konvention über
die Rechte von Menschen mit Behinderungen heißt es:
„Um Menschen mit
Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben und die volle Teilhabe in allen
Lebensbereichen zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen
mit dem Ziel, für Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen
Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und
Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und
-systemen, sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit
in städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen oder für sie bereitgestellt
werden, zu gewährleisten.“
Barrierefreiheit dient also
der Teilhabe, einem Menschenrecht, und beinhaltet neben dem Zugang zu Schulen,
Wohnhäusern, medizinischen Einrichtungen und Arbeitsstätten auch Verkehrsmittel,
Beratungsstellen, Sprache, Notrufe, Beschilderungen und Webseiten.
Wenn Sie mit offenen Augen,
Ohren und Gedanken zur Arbeit, zum Arzt, zum Amt oder zum Stadtteilzentrum gehen,
werden Sie merken, dass wir von einer so verstandenen Barrierefreiheit noch
weit entfernt sind.
In der Behindertenrechtskonvention
ist dem Artikel zur Barrierefreiheit übrigens ein anderer vorangestellt:
Artikel 8 Bewusstseinsbildung.
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