Sonntag, 28. Februar 2021

Vom Impf-BER und dem sehr alten Herrn Hitzlsperger

 Impfen, impfen und kein Ende...


Liebe Leserinnen und Leser, nachdem ich endlich erfolgreich 2 Impftermine zum Schutz vor dem Corona-Virus für meine Mutter ergattert habe, versuche ich nun, einen Impftermin für mich selbst zu bekommen. Und das ist wie der BER, nur dass es eben um etwas viel Existenzielleres als das Reisen geht - es geht um Gesundheit.

Hier die Kurzfassung: In der letzten Woche besorgte ich mir ein ärztliches Zeugnis darüber, dass meine Impfung gegen das Corona-Virus eine hohe Priorität hat und ich aufgrund von Vorerkrankungen zur Priorisierungsgruppe 2 der zu Impfenden gehöre.
Zu dieser Zeit war aber auf der sächsischen Website zur Impfregistrierung genau diese Personengruppe noch gar nicht gelistet.
Umso mehr staunte ich, dass an einem Freitag plötzlich "Lehrer, Erzieher und Polizisten" auf der Website als diejenigen Personengruppen benannt wurden, die als nächstes geimpft werden sollen. Also rief ich bei der Hotline an:

"Ich arbeite an einer Schule, bin aber keine Lehrerin, sondern Schulsozialarbeiterin."
"Das macht nichts. Dann registriere ich Sie trotzdem als Lehrerin. Einen Termin können Sie aber erst in ein paar Tagen machen."

Zwei Tage später der Rückruf: die Website sollte noch gar nicht online gehen, die schon bestehenden Registrierungen bleiben aber bestehen.
Also versuche ich seit Tagen, telefonisch einen Impftermin zu bekommen. Keine Chance - siehe Bild oben "zu hohes Telefonaufkommen".

Also versuche ich es über mein ärztliches Attest online, so mein Plan. Der funktioniert aber auch nicht, weil ich ja telefonisch schon über die Tätigkeit an der Schule registriert bin. Und die Automatenstimme in der überlasteten Hotline sagt mir wiederum, ich könnte es ja online versuchen.

Sie verstehen also mein Problem?! 
Zwickmühle


Trotz dieser absolut unbefriedigenden Lage gibt es immer wieder auch Dinge, die Mut machen oder auch irgendwie komisch sind.

Ein solcher Mutmacher ist zum Beispiel die Entwicklung in Sachen Schulbegleitung in Zeiten der Pandemie, die viele engagierte Menschen hier im Landkreis angeschoben haben.

Und irgendwie witzig waren in der letzten Woche zwei Begebenheiten:
  • Im Supermarkt sprach mich eine Kollegin und Schulsozialarbeiterin einer anderen Schule an: "Durch die Maske und die längeren Haare hätte ich dich fast nicht erkannt!" 😉 Gut zu wissen, dass ich von einigen Menschen nicht nur über die 4 Räder definiert werde...
  • Und schließlich die Diskussion mit einer Schülerin über Homophobie im Fußball. "Es gibt ja bisher nur einen - ehemaligen - Fußballer, der sich geoutet hat. Und der ist schon sehr alt." "Wir sprechen über Thomas Hitzlsperger, richtig?!" "Ja, wieso?" "Sehr alt..." Ich hab es gegoogelt: der Mann ist 38 Jahre alt.
Ihnen eine mutmachende, witzige Woche, liebe Leserinnen und Leser!



Samstag, 6. Februar 2021

"Schönen Tag noch, Frau Pohl!"

 Liebe Leserinnen und Leser,


heute gibt es wieder etwas Positives zu berichten. Die Beschilderung am Impfzentrum weist nun tatsächlich den barrierefreien Weg zum Impfzentrum.

"Frau Pohl, wir haben die Beschilderung zum impfzentrum geändert", sprach mich vor ein paar Tagen der Geschäftsführer des hiesigen DRK-Kreisverbandes an.

"Ich hab es gesehen. Sehr gut!"

"Ich hatte Ihnen ja auch geschrieben, weil ich wissen wollte, wie man z. B. mit einer seltenen Erkrankung in eine hoch priorisierte Gruppe der zu Impfenden kommt. Auf der Webseite kommt man ja nur an einen Impftermin, wenn man über 80 ist oder in einem Pflegeheim lebt."

"Ja, das muss noch eingepflegt werden."

"Dann bliebe nur noch eine Frage: Wann haben Sie wieder genügend Impfstoff, damit Sie mich impfen können?" 😄

"Schönen Tag noch, Frau Pohl!"

Taxifahrer im Landkreis Bautzen
Und dann lese ich neulich, dass es doch keine "Impftaxis" im Landkreis geben wird, die es besonders Senioren ermöglichen würden, kostengünstig und unabhängig vom Öffentlichen Personennahverkehr zum Impfzentrum zu gelangen. Die Gemeinden seien jetzt aufgerufen, den "Transport" älterer Menschen zum Impfzentrum über die Feuerwehren zu organisieren, war im selben Artikel zu lesen. Mal ganz abgesehen davon, dass man meiner Meinung nach nur Vieh und Koffer transportieren kann und nicht Menschen - wie soll das bitte gehen? Oder man sollte sich beim Arzt eine Bescheinigung über eine Krankenbeförderung mit dem Taxi besorgen, wenn man einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen "B", "aG" und "H" oder Pflegegrad 3 hat.

Ich kann eine solche Entscheidung in dieser besonderen Zeit nicht verstehen, denn Barrierefreiheit geht anders. Und die Wiederbelebung der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens auch.

Aber mehr rege ich mich heute nicht auf.

Schönen Tag noch, liebe Leserinnen und Leser!

Montag, 1. Februar 2021

Das, was fehlt: ansprechen + zuhören + beteiligen


Ich bin langsam wirklich sauer und frustriert, weil ich so viele Menschen kenne, die sich seit Monaten für den Schutz aller Menschen vor Corona einsetzen, Umsetzungsvorschläge machen, auf vergessene Personengruppen hinweisen und nicht gehört werden. Wochen um Wochen und Monate um Monate ziehen ins Land und der Eindruck entsteht, wir lernen aus dieser Pandemie nichts.

Drei Beispiele: 

1. Beteiligung

Barrierefreiheit hat viel mit Beteiligung zu tun. Werden die Menschen, die ich möglicherweise von den Corona-Schutzmaßnahmen ausschließe, beteiligt und gehört? Da bekommen derzeit ältere Menschen Post von der Bundesregierung mit den Berechtigungsscheinen für die FFP2-Masken, die sie sich zweimalig aus der Apotheke holen können. Wir reden hier von der Gruppe der über 80-Jährigen, die auch schon mal öfter in der Mobilität eingeschränkt sein können. Wäre es dann nicht sinnvoller, wenn man diese Masken einfach in den Umschlag reingesteckt hätte?!

Oder das Internetportal zur Impfterminvergabe. Hätte man z. B. die Seniorenvertretungen vorher mal gefragt, wie sie sich eine Terminvergabe vorstellen, hätte diese Personengruppe bestimmt nicht die Onlineregistrierung an erster Stelle genannt. Außerdem ist die Website für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen oder auch für gehörlose Menschen oder für Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht barrierefrei:

Teilweise Barrierefreiheit der Website zur Impfterminvergabe

Und von der Odyssee, die meist die Töchter oder Söhne der Seniorinnen und Senioren durchlaufen, um nach der Registrierung tatsächlich an einen Impftermin für ihre Verwandten zu gelangen, will ich erst gar nicht sprechen. Ich bin jetzt beim 12. erfolglosen Versuch.

2. Barrierefreiheit

Von der fehlenden Barrierefreiheit und unzureichenden Beschilderung der Impfzentren habe ich schon berichtet. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass auch im Jahr 12 nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention ernsthaft noch der Vorschlag gemacht wird, dass doch Feuerwehrmänner den Impfwilligen im Rollstuhl zum Impfzentrum tragen könnten - so wie hier in diesem Bericht aus Gotha.



„Das ist kein Problem, da helfen uns bei Rollstuhlfahrern kräftige Männer von der Bundeswehr und von der Security. Ich...

Gepostet von Markus Walloschek am Dienstag, 26. Januar 2021

Apropos Impfzentrum: Auch unser Kamenzer Impfzentrum ist nicht so ausgeschildert, dass die Besucherinnen und Besucher problemlos und barrierefrei dort ankommen. Ich hatte dazu das Deutsche Rote Kreuz Bautzen angeschrieben, das das Impfzentrum betreibt. Keine Antwort.

Irgendwann treffe ich vor dem Impfzentrum neben den Bundeswehrsoldaten und Mitarbeitern einer Sicherheitsfirma in ihren typischen Uniformen auch einen Mann im weißen Hemd, der mir aus einem Zeitungsartikel bekannt vorkommt. Schon fast dran vorbei, gehe ich nochmal zurück

"Sind Sie der Geschäftsführer?"
"Ja."
"Freut mich, Sie kennenzulernen. Ich hatte Ihnen eine E-Mail geschrieben wegen der Barrierefreiheit des Impfzentrums."
Schweigen. Dann: "Ich hab Sie hier auch schon mehrmals gesehen."
"Ja?"
"Sie arbeiten im Gymnasium?"
"Stimmt." Also hat er doch meine E-Mail gelesen...

Wir kommen also doch noch über die Beschilderung ins Gespräch, schließlich fragt er:
"Wann haben Sie eigentlich Ihren Impftermin?" Weil dann würde er persönlich und überhaupt...

Hm. Mag ja sein, dass ich bei manchen Fragestellungen alt aussehe, aber so alt, dass man mich für über 80 hält?! Oder denkt er, dass ich in einem Pflegeheim lebe?! 

3. Priorisierte Impfungen

Womit ich bei den priorisierten Gruppen wäre, die zuerst geimpft werden. Auch wenn die Ständige Impfkommission ihre Empfehlungen noch einmal in Richtung der Öffnung bezüglich der seltenen Erkrankungen und Menschen, die im häuslichen Umfeld gepflegt und unterstützt werden, korrigiert hat, ist das noch nicht in den Ländern und Kommunen angekommen, wie dieser Artikel und die aktuelle Website zur Impfberechtigung in Sachsen zeigt:

Screenshot Priorisierungskriterien der Corona-Schutzimpfung

Um wirklich alle Menschen mitzunehmen, bleibt also noch viel zu tun. 

Eigentlich schreibe ich immer einen positiven Schlusssatz, aber diesmal bin ich tatsächlich etwas ratlos. 

Die Menschen zielgerichtet ansprechen, ihnen zuhören und sie beteiligen
- für mich ist es aktuell das, was fehlt. 

"Heute Nachmittag Café Klostertor?"

Liebe Leserinnen und Leser, "Heute Nachmittag Café Klostertor?", war die Reaktion meiner Schulleitung, als ich ihr in dieser Woche...