Sonntag, 25. Oktober 2020

Revolution!

 Liebe Leserinnen und Leser,

zu den Highlights in dieser Woche gehörte für mich der Podcast, den ich zusammen mit den Ergotherapeuten Michael Schiewack und Robert Striesow zum Thema Inklusion aufgenommen habe:

Bisher gab es dazu viel positives Feedback (vielen Dank dafür!) und weil wir den wirklich ohne Proben, Überspielen und Schneiden aufgenommen und ins Netz gestellt haben, will ich hier noch ein paar Links nachschicken - zum Verdeutlichen oder einfach zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema:

- Zur Frage der schulischen Inklusion in den einzelnen Bundesländern empfehle ich "Schulische Inklusion in Deutschland 2009-2017. Eine bildungsstatistische Analyse aus Anlass des 10. Jahrestags des Inkrafttretens der UN Behindertenrechtskonvention am 26. März 2019". Dort findet man auf  Seite 8 eine Übersicht, wie gut (oder eben nicht gut) es den einzelnen Bundesländern gelungen ist, die Separationsquoten, also den Anteil der Schülerinnen und Schüler außerhalb des regulären Schulsystems, zu senken. Und da sind 8 Bundesländer besser als Sachsen.

- Zur Verbindung des Nationalsozialismus mit dem System der Sonderpädagogik und dessen fehlender Aufarbeitung schlage ich zum Nachlesen diesen Artikel vor: "Behinderte Aufklärung". Darin findet man unter anderem ein Zitat von Gustav Lesemann, der lange Zeit als Vater der Sonderpädagogik galt: "Solange man sich nicht entschließen kann, zur Zwangsuntersuchung vor der Ehe, zur Sterilisierung tiefstehender Schwachsinniger zu greifen, bleibt die Erziehung so ziemlich der einzige Weg der Fruchtbarkeitsauslese." Die letzte Gustav-Lesemann-(Förder-)Schule wurde 2018 umbenannt.

- Zum Betreuungsrecht und anderen sozialpolitischen Veränderungen, die im Sinne der Inklusion jetzt notwendig sind (oder wären) verweise ich auf eine Broschüre von ambulante dienste e. V., einem Assistenzanbieter in Berlin, der einen hohen Grad an Selbstbestimmung ermöglicht: "Selbstbestimmt leben mit Persönlicher Assistenz". Im Nachwort ab Seite 62 finden Sie dort einen sozialpolitischen Ausblick im Sinne der Inklusion (und ja, die Autorin kenne ich ;)) - z. B. geht es um die Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen, die Menschen mit Lernschwierigkeiten bei ihren Entscheidungen unterstützt und diese Entscheidungen nicht einfach ersetzt.

- Und weil Micha im Podcast ein paar interessante Kolleginnen und Kollegen der Ergotherapie benannt hat, tue ich das hier auch noch zum Thema Arbeit für Menschen mit Behinderung: Schauen sie ruhig mal bei stattWERKstatt vorbei, das ist eine Initiative junger Menschen mit Lernschwierigkeiten (sogenannten geistigen Behinderungen) und deren Unterstützer, die um einen Platz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kämpfen oder gekämpft haben und von ihren Erfahrungen berichten. Eine zweite Empfehlung bezieht sich auf JOBinklusive. Dieses Projekt beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Barrieren auf dem Weg zu einem inklusiven Arbeitsmarkt und deckt dabei manchen Etikettenschwindel auf.

Festung Königstein (Quelle: Sachsen Tourismus)

Gestern war ich übrigens in der Sächsischen Schweiz unterwegs und habe dabei einen Abstecher zu einem Pflegeheim gemacht, in dem ich vor meinem ersten Studium gelebt und gearbeitet habe (wenn ich im Podcast erzählt hätte. dass ich meinen 19. Geburtstag im Pflegeheim erlebt habe, hätte ich die ganze Dramaturgie ruiniert 😉). Das Pflegeheim hatte vor 30 Jahren schon 7 Stockwerke und ich war gestern gespannt, was jetzt draus geworden ist. Es heißt jetzt Seniorenzentrum und gehört zu einem privaten Pflegeanbieter mit durchschnittlich 87 Bewohnerinnen und Bewohnern pro Einrichtung. Das sächsische Seniorenzentrum liegt mit Sicherheit über dem Durchschnitt, denn es wird in allen 7 Etagen ausschließlich von alten, pflegebedürftigen Menschen genutzt. (Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn es dort einen Corona-Fall gäbe.)

Micha und Robert haben recht - wir brauchen eine Revolution für mehr Inklusion! Naja, eine breite öffentliche Debatte und ein klares Statement würden fürs erste reichen - wie wollen Sie selbst leben, wenn Sie im Alltag auf Unterstützung angewiesen wären? 

Einen schönen Sonntag wünsche ich!

"Heute Nachmittag Café Klostertor?"

Liebe Leserinnen und Leser, "Heute Nachmittag Café Klostertor?", war die Reaktion meiner Schulleitung, als ich ihr in dieser Woche...