Liebe Leserinnen und Leser,
ich bin gestern nach unserer Position zu einem Mindestlohn für Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) gefragt worden.
Herr Dr. Gysi von den Linken hat neulich auf dem Podium in der Kulturbrauerei bekannt: "Wir sind für einen Mindestlohn und der muss auch für WfbM-Beschäftigte gelten." Und dafür viel Beifall bekommen.
Ganz so einfach ist das leider nicht. In Werkstätten beschäftigt sind Menschen, die "nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können". Das heißt, diese Menschen gelten als nicht erwerbsfähig und unterliegen deshalb auch keinem Tarifvertrag oder Mindestlohn.
Das heißt auch, dass zuerst die rechtliche Stellung der WfbM-Beschäftigten geändert werden muss, um von einer Mindestlohn-Regelung profitieren zu können. Im Gesetzentwurf des Forums behinderter Juristinnen und Juristen "Gesetz zur Sozialen Teilhabe", den die Linken und wir unterstützen, ist die rechtliche Stellung der WfbM-Beschäftigten auch nicht vollständig geklärt. Der Entwurf macht aber - wie ich finde - drei Vorschläge, die Verbesserungen für die Beschäftigten in WfbM darstellen:
Das widerspricht aber im Moment noch der gängigen Praxis in unserem Land, in dem nach wie vor die Mehrheit (59%) der Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII eben nicht der Eingliederung dienen, sondern in Einrichtungen erbracht werden. Und noch eine "Sache" macht die Anerkennung der Arbeitsleistungen von Werkstattbeschäftigten durch einen Mindestlohn schwer: Lobbyismus.
Inzwischen ist die Auslagerung von Produktion in Werkstätten für behinderte Menschen ein Wirtschaftszweig geworden. Mit Milliardenumsatz. Und die Unternehmen, die von WfbM produzieren lassen, profitieren doppelt davon: geringe Produktionskosten und Senkung der Ausgleichsabgabe in Höhe von 50% des Rechnungsbetrages der WfbM. Das hat inzwischen auch die Rüstungsindustrie herausgefunden.
Von diesen Vergünstigungen hat nur eine Seite was: die Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarkts, die dort produzieren lassen. Die Beschäftigten der Werkstätten für behinderte Menschen gar nichts, sie bleiben in der Grundsicherung.
Fazit: Solange wir gesetzliche Regelungen haben, die Unternehmen besserstellen, die in WfbM produzieren lassen, anstelle schwerbehinderte Menschen einzustellen und damit teilhaben zu lassen, sind wir von gleichberechtigter Teilhabe meilenweit entfernt.
Es müsste doch genau umgekehrt sein: wer in WfbMs und nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt produzieren lässt, müsste eine höhere Ausgleichsabgabe zahlen. Die dann auch wirklich für Inklusion eingesetzt wird.
In diesem Sinne: einen angenehmen Arbeitstag!
ich bin gestern nach unserer Position zu einem Mindestlohn für Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) gefragt worden.
Podiumsdiskussion in der Kulturbrauerei |
Ganz so einfach ist das leider nicht. In Werkstätten beschäftigt sind Menschen, die "nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können". Das heißt, diese Menschen gelten als nicht erwerbsfähig und unterliegen deshalb auch keinem Tarifvertrag oder Mindestlohn.
Das heißt auch, dass zuerst die rechtliche Stellung der WfbM-Beschäftigten geändert werden muss, um von einer Mindestlohn-Regelung profitieren zu können. Im Gesetzentwurf des Forums behinderter Juristinnen und Juristen "Gesetz zur Sozialen Teilhabe", den die Linken und wir unterstützen, ist die rechtliche Stellung der WfbM-Beschäftigten auch nicht vollständig geklärt. Der Entwurf macht aber - wie ich finde - drei Vorschläge, die Verbesserungen für die Beschäftigten in WfbM darstellen:
- WfbM-Beschäftigte werden erwerbsfähigen Menschen gleichgestellt, d. h. sie können Leistungen des SGB II und des SGB III in Anspruch nehmen. Diese Gleichstellung ist die Voraussetzung für einen Mindestlohn.
- Als neue Form der Erwerbstätigkeit wird der Begriff "Beschäftigung unter nichtüblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" eingeführt (in § 7 SGB II und § 118 SGB III). Dieser stellt eine Zwischenform zwischen voller Erwerbsminderung (wie Erwerbsunfähigkeit politisch korrekt heißt) und voller Erwerbsfähigkeit dar.
- Der Entwurf führt ein sogenanntes "Budget führt Arbeit" ein, das Arbeitgebern gezahlt wird, damit die Minderleistung (kein schönes Wort) von voll Erwerbsgeminderten ausgeglichen wird und sie, das heißt die Menschen mit voller Erwerbsminderung, dann auch von ihrer Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leben können.
Das widerspricht aber im Moment noch der gängigen Praxis in unserem Land, in dem nach wie vor die Mehrheit (59%) der Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII eben nicht der Eingliederung dienen, sondern in Einrichtungen erbracht werden. Und noch eine "Sache" macht die Anerkennung der Arbeitsleistungen von Werkstattbeschäftigten durch einen Mindestlohn schwer: Lobbyismus.
Inzwischen ist die Auslagerung von Produktion in Werkstätten für behinderte Menschen ein Wirtschaftszweig geworden. Mit Milliardenumsatz. Und die Unternehmen, die von WfbM produzieren lassen, profitieren doppelt davon: geringe Produktionskosten und Senkung der Ausgleichsabgabe in Höhe von 50% des Rechnungsbetrages der WfbM. Das hat inzwischen auch die Rüstungsindustrie herausgefunden.
Von diesen Vergünstigungen hat nur eine Seite was: die Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarkts, die dort produzieren lassen. Die Beschäftigten der Werkstätten für behinderte Menschen gar nichts, sie bleiben in der Grundsicherung.
Fazit: Solange wir gesetzliche Regelungen haben, die Unternehmen besserstellen, die in WfbM produzieren lassen, anstelle schwerbehinderte Menschen einzustellen und damit teilhaben zu lassen, sind wir von gleichberechtigter Teilhabe meilenweit entfernt.
Es müsste doch genau umgekehrt sein: wer in WfbMs und nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt produzieren lässt, müsste eine höhere Ausgleichsabgabe zahlen. Die dann auch wirklich für Inklusion eingesetzt wird.
In diesem Sinne: einen angenehmen Arbeitstag!
danke für diesen Artikel
AntwortenLöschenIch danke auch! hat von euch Richtung lohn in wfbm gemacht
LöschenBringt es genau auf den Punkt. Würde mir auch einen Mindestlohn wünschen... aber das durch zu bekommen wird ziemlich schwer in die Werkstätten werden da wohl kaum mit ziehen.
AntwortenLöschenVielen Dank fürs Lesen und Kommentieren!
AntwortenLöschenAber wie schaffen wir die Umstellung
LöschenGar nicht da sich keiner der Sache annimt
LöschenLiebe Ulrike,
AntwortenLöschendas ist super zusammen gestellt. Sachlich und fundiert schreibst du hier über die Dinge die mich schon so oft unbeschreiblich sauer gemacht haben. Gerne will ich diese Forderungen unterstützen und finde die sollten weiter verbreitet werden und als Grundlage für unsere Ziele sein.
Alles Liebe
Sabine
Klar, wir bleiben dran! Und danke...
AntwortenLöschenVielleicht könnte es auch helfen, bei dieser Petition auf "Change.org" ( siehe: http://www.change.org/de/Petitionen/www-angela-merkel-de-mindes-lohn-in-werkst%C3%A4tten-f%C3%BCr-menschen-mit-handi-cap-2 ) mitzumachen, oder aber auch mit Hilfe von Petitionen auf entsprechenden Plattformen im Netz selbst noch zusätzlich aktiv zu werden.
AntwortenLöschenDanke für den Hinweis, Dirk! Zu Ihrer (berechtigten) Forderung nach einem Mindestlohn in WfbM gab es schon mal eine Petition - diese hier: https://www.change.org/de/Petitionen/bundestag-ausweitung-der-machtbefugnisse-der-gewerkschaften-und-mindestlohn-in-den-wfbm Vielleicht sollten Sie sich vernetzen?
AntwortenLöschenAlles Gute für 2014!
ihr seid ja klasse, hoffentlich wird das was!
AntwortenLöschenHallo......Bin mit meiner Frau die seit geburt an im Rollstuhl hockt seit bald 10 jahre zusammen.Da geht mir das Messer auf das solche Leute ,so wie es bei meiner Frau ist ,1 Euro 50 Cent bis 2 Euro verdient.Von Amtwegen kriegt sie keinerlei unterstützung weil ich zu gut verdiene..Schön und gut aber wo bleibt da die Gleichbehandlung...oder der kommentar von unserer Heiligen Fr.Merkel ...Es steht jeder gleich da in Deutschland.Das ich nicht lache..Meine Frau ist stark abhängig von mir.Für Antworten bin ich gerne zu haben 015224637221.Auch solche Leute haben ein Recht darauf zu leben und finanziell unhabhängig zu sein....
AntwortenLöschenLG
Nehmen wir mal an, der Stundenlohn würde von den vermutlich üblichen max. 2€/h auf 5€/h steigen. Welche Förderungen auf staatlicher Seite fallen dann weg? Die Übernahme der Mietkosten durchs Amt, Kindergeld bis 35??
AntwortenLöschenIch wette die Ämter schaffen es, dass man am Ende mit der gleichen Menge Geld als Behinderter auskommen muss, wie zuvor...