Liebe Leserinnen und Leser, wie die Menschen aus Kamenz und Umgebung in meiner Leserschaft in den letzten 2 Wochen sicher mitbekommen haben, wurde nach 27 Monaten und mit 41 Millionen "eine der modernsten Schulen Sachsens" fertiggestellt.
Das, was ich in diesen mehr als zwei Jahren Ehrenamt erlebt habe, kann man zusammenfassen mit Ignoranz und Unwillen - gepaart mit Unkenntnis. Und das kam so:
Nachdem ich
- mich im September 2020 erstmals bei der Stadt und beim Landkreis nach der Barrierefreiheit des neuen Schulstandortes erkundigt habe
- beim Verkehrskonzept mitdiskutiert habe
- eine Vor-Ort-Begehung zur Busanbindung gemacht habe
- beim Tag der nicht barrierefreien Baustelle vor Ort war
- ich immer wieder beschwichtigt wurde ("Machen Sie sich keine Sorgen, das ist doch ein öffentliches Gebäude, das muss doch barrierefrei sein.")
- mich erneut nach Bordsteinabsenkungen und Zuwegungen erkundigt habe
- in der Schulkonferenz nach der Barrierefreiheit der Eröffnungsveranstaltung gefragt habe ("Ich gehe davon aus.", war die Antwort des Landkreisvertreters.)
- nachdem ich auf die fehlenden Hinweise zur Barrierefreiheit in der Einladung zur Eröffnung hingewiesen habe, konnte ich am 15. August 2022 zum ersten Mal den (einzigen) Fahrstuhl des neuen/alten Gotthold-Ephraim-Lessing-Gymnasiums benutzen und deshalb auch mein künftiges Arbeitszimmer sehen.
"Die sollte noch entfernt werden."
Die Antwort überraschte mich dann doch:
"Es gibt überall im Altbau Schwellen. Wenn wir sie rausreißen würden, widerspräche das dem Denkmalschutz."
Ernsthaft? Eine Schule, die voll ist mit Technik der Neuzeit, in der es keine einzige grüne Tafel mehr gibt, ein öffentliches Gebäude, das der inklusiven Bildung dient, muss Schwellen enthalten, damit der Denkmalschutz gewahrt bleibt? Im Sächsischen Denkmalschutzgesetz ist übrigens die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen in § 1 Abs. (4) festgeschrieben. Außerdem sagt dieses Gesetz in § 12, dass die Bausubstanz nur mit Genehmigung der Denkmalschutzbehörde verändert werden darf. Hat irgendwer überhaupt diesen Antrag gestellt? Und aufgrund welchen Ermessens hat die Denkmalschutzbehörde entschieden?
Die Schwelle zur Aula ist übrigens bis heute noch höher als die vor den anderen Räumen, sodass ich die Aula, in die ich am darauffolgenden Sonntag zur Eröffnung eingeladen war, nicht selbstständig betreten konnte.
Also bitte ich den Oberbürgermeister, nachdem er und viele weitere Männer mittleren Alters ihre Sonntagsreden gehalten hatten, um Hilfe, um die halbe Stufe zu bewältigen. Und ich sage zu ihm: "Sie sehen selbst, da muss noch eine Rampe nachgerüstet werden." Und auch seine Antwort überraschte mich: "Das ist nicht nötig, Frau Pohl. Wo wir beide das so gut gemeinsam geschafft haben!"
Was soll ich mit dieser Antwort anfangen? Will der Oberbürgermeister mein Arbeitsassistent werden? Und bei jeder Stufe oder Schwelle, die ich in der neuen, nicht barrierefreien Schule zu bewältigen habe, zur Stelle sein? Oder wäre das Herausnehmen der Schwellen nicht doch die bessere Lösung?
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