Donnerstag, 1. April 2021

Von treppenliftfahrenden Bankräubern und seltenen Nebenwirkungen

 Liebe Leserinnen und Leser,

dass ich mich oft mit dem Thema Barrierefreiheit befasse, wissen Sie schon.

Narzissen

Immer wieder stelle ich fest, dass, auch wenn "barrierefrei" dran steht, viele Orte es in der Praxis dann doch nicht sind. Über "meine" Schule z. B. hieß es auch immer, dass sie barrierefrei sei (was meistens nur das Vorhandensein eines Fahrstuhls meint). "Und dann kamen Sie.", fügt der Schulleiter heute oft hinzu. Z. B. braucht man einen Schlüssel aus dem Sekretariat, das über Treppen zu erreichen ist, um den Fahrstuhl nutzen zu können. Nicht wirklich praktisch, wenn Eltern einen Rollstuhl nutzen und etwas im Sekretariat zu erledigen haben.

Ähnlich ergeht es mir immer bei der hiesigen Post und der dazugehörigen Bank. Dort handelt es sich nicht um einen Fahrstuhl, sondern einen Treppenlift, der mit einem Schlüssel zu bedienen ist, den man nur über den Treppenaufgang bekommen kann. Hinzu kommt dann noch, dass die Bedienung dieses Treppenlifts so wenig bekannt und auch nicht selbsterklärend ist, dass jedesmal mindestens zwei Mitarbeiter minutenlang damit beschäftigt sind, die Liftplattform, die Auffahrrampe und die klappbaren Bügel so zu koordinieren, dass ein Betreten der Filiale möglich ist. (Erfahrungen im Festgeklemmtsein zwischen den Bügeln habe ich auch schon.)

Sie sehen, Barrierefreiheit hat auch immer was mit Einfachheit zu tun. Also frage ich, ob es nicht besser wäre, einen Treppenlift zu installieren, der einfacher und ohne Schlüssel funktioniert. "Das geht nicht. Wegen der Sicherheit." Da könne ja jemand unbemerkt in die Filiale eindringen. Aber mal ganz ehrlich, liebe Leserinnen und Leser, wie viele Bankräuber sind Ihnen bekannt, die beim Raubzug einen Treppenlift benutzen?

Adressliste mit Corona-Testzentren

Neben der Einfachheit ist es immer wieder das Drandenken, was bei der Barrierefreiheit fehlt. Aktuell werden (meiner Meinung nach viel zu spät) überall Testzentren eingerichtet und es werden die gleichen Fehler gemacht wie schon bei der Einrichtung der Impfzentren. Nirgendwo finden sich Hinweise zur Barrierefreiheit und zum Anfahrtsweg. In einigen Testzentren gibt es nur eine Möglichkeit der Terminvereinbarung. They did it again...

Und zum Schluss noch diese Neuigkeit: Ich bin inzwischen einmal mit AstraZeneca geimpft worden - letzten Endes aus medizinischen Gründen. Beim Empfang wurde ich trotzdem gefragt: "Sind Sie Lehrerin?" (Man sieht mir also schon an, dass ich in einer Schule arbeite ;)) Inzwischen gibt es verschiedene Regelungen, die sich täglich ändern (was nicht gerade zum Vertrauen in die Impfkampagne beiträgt). Aktuell soll der AstraZeneca-Impfstoff nur noch für Menschen über 60 eingesetzt werden aufgrund mehrerer Fälle von Hirnvenenthrombosen, die im Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten sind.

Manchmal hilft ein Blick in die Zahlen hinter den Bedenken: von 2,4 Millionen Geimpften ist innerhalb von 14 Tagen nach der Impfung bei 31 Personen eine Sinusthrombose festgestellt worden - das sind 0,0013% aller AstraZeneca-Geimpften oder auch 1,3 Personen von 100.000 geimpften Menschen. Ja, das ist ein Risiko - aber tatsächlich hoch genug, um die Impfungen für Millionen Menschen auszusetzen? 

Beipackzettel
Auf dem Beipackzettel zu einem Medikament sind "sehr seltene Nebenwirkungen" solche, die weniger als 1 von 10.000 Menschen betreffen. Bei den Hirnvenenthrombosen handelt es sich um 10mal weniger Fälle.

Oder auch: Die Häufigkeit, ein Kind mit einem sogenannten "offenen Rücken" (Spina bifida, angeborene Querschnittlähmung) zur Welt zu bringen, liegt bei 1:3000 Geburten. Dieses Risiko liegt also 30mal höher als eine Hirnvenenthrombose nach einer AstraZeneca-Impfung zu bekommen.

Ich werde das Risiko eingehen und eine zweite Impfung mit AstraZeneca machen lassen, weil für mich das Risiko einer schweren Corona-Infektion und einer weiter bestehenden Pandemie schwerer wiegen als das Risiko einer Sinusthrombose.

Ich wünsche Ihnen allen gesunde, fröhliche Feiertage!



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