Direkt zum Hauptbereich

Helden

Liebe Leserinnen und Leser, aktuell wird immer wieder von den "Helden der Corona-Pandemie" gesprochen. Ich will mich gar nicht darüber auslassen, das einige von ihnen als Anerkennung Applaus von Balkonen, andere einmalige Prämien und wieder andere Milliardenhilfen erhalten. 

Nein, in diesem Post geht es um diejenigen Helden der Pandemie, die viel zu selten genannt werden: Kinder. 

Kinder, die sich plötzlich ihren Tag selbst strukturieren müssen. Kinder, die keinen engen Kontakt mehr zu ihren Mitschülern haben dürfen, Kinder, die zu wenig Bewegung haben. Kinder, die sich nur schlecht selbst motivieren können. Kinder, denen Erklärungen und Rückfragen fehlen. Kinder, die keinen eigenen Internetzugang haben. Kinder, die keinen Anspruch auf eine persönliche Notbetreuung haben, weil diese nur in Grund- und Förderschulen gestattet ist und die weiterführende Schule in meinem Bundesland beginnt, wenn die Kinder z.T. erst 10 oder 11 Jahre alt sind. 

Die Worte Corona, Covid, Virus als Scrabble

Als Schulsozialarbeiterin erlebe ich es aktuell täglich: Corona verstärkt die Schere zwischen den Kindern, die sich selbst gut organisieren können, die ein unterstützendes Umfeld haben und denen, die nicht über diese Ressourcen verfügen. 

Aber das allein ist zu kurz gegriffen. Unter der fehlenden Struktur, der fehlenden Aufmerksamkeit, den fehlenden sozialen Kontakten leiden nicht nur Kinder aus sogenannten "bildungsfernen" Familien oder Kinder mit anderen nicht ganz einfachen Ausgangsbedingungen, sondern tatsächlich alle Kinder. 

Schule ist eben mehr als ein Ort der Wissensvermittlung, obwohl allein schon für diese Rolle während der Pandemie auch alle Eltern zu meinen Heldinnen und Helden zählen. 

Schule ist ein Ort des Austausches, der Struktur, der Motivation, des Sich-Messens, des Rollenlernens, des Modelllernens, der Freude, des Streits, der Rückmeldungen, des Verstehens, der Vorbilder, des Miteinanders und des Voneinander-Lernens.

Die Auswirkungen des Fehlens dieser Erfahrungen sind zum Teil wirklich dramatisch - in einigen Fällen geht es tatsächlich um Leben, Lebensmut und Tod - und es wird viel Zeit und Aufwand unterschiedlichster Menschen und Professionen brauchen, um diese fehlenden Erfahrungen bestenfalls auszugleichen.

Mit diesen Erfahrungen ist es mir unverständlich, wenn ich dann solche Bilder sehe:

Menschenmengen trotz Abstandspflicht am 01. Mai 2020 in Berlin

Oder wenn ich Menschen erlebe, die meinen, es wäre eine Zumutung (oder gar Eingriff in ihre Freiheit), sich an Abstands- und Hygieneregeln zugunsten der Mitmenschen zu halten.

Ich möchte ihnen sagen: Damit wir unseren Kindern möglichst bald wieder alle Erfahrungen mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern im Lern- und Lebensort Schule ermöglichen, sollte es für uns Erwachsene doch selbstverständlich sein, noch ein paar Wochen mit den Abstands- und Hygieneregeln zu leben, oder?!

Denn: Einen zweiten Lockdown können wir Erwachsenen den kleinen Heldinnen und Helden dieser Pandemie wirklich nicht zumuten!


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Kann ein UNESCO-Schulfest heute noch exklusiv sein? Oder wollen "die" wirklich nicht?

Der Festzug aus der Perspektive hinter der Absperrung.  Morgen ist es wieder so weit. Die Kamenzer Schülerinnen und Schüler ziehen mit Blumen und in festlicher weißer Kleidung durch die Kamenzer Innenstadt, um das Forstfest, DAS sächsische Heimat- und Schulfest, zu begehen. Das Forstfest geht auf eine Legende zurück, bei der Kinder in weißer Kleidung in den Kamenzer Forst zogen, um eine Belagerung der Stadt durch die Hussiten zu verhindern - erfolgreich. Seit 2021 ist das Kamenzer Forstfest nun auch noch in das  Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden. Grundlage dafür ist ein Übereinkommen der UNESCO, das Deutschland unterschrieben hat. Und bei der UNESCO geht es nicht nur um Kultur, sondern immer auch um Bildung, um inklusive Bildung. Und inklusiv - das ist das größte sächsische Heimat- und Schulfest wirklich nicht.  Am oben beschriebenen Festzug nehmen alle Grundschulen, Oberschulen und das Gymnasium teil, die Förderschulen nicht. Es gib...

Waffenteile in WfbM, Fahrstuhl-TÜV und Kitas ohne Kinder

In dieser Woche war ich in einen fächerverbindenden Unterricht zum Thema "Albert Schweitzer" und seiner "Ehrfurcht vor dem Leben" eingebunden, für die erste der 5. Klassen an unserem Gymnasium. Albert Schweitzer würde am 14. Januar 2025 seinen 150. Geburtstag feiern. Albert Schweitzer Quelle: Wikipedia Oft bin ich überrascht und beeindruckt, was für Ideen und Fragen die Fünftklässler entwickeln: Wäre Albert Schweitzer heute für Inklusion? Welche Einstellung hätte Albert Schweitzer heute zum Ukraine-Krieg? In Zusammenhang mit dem fächerverbindenden Unterricht haben wir auch eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) nicht nur besucht, sondern gemeinsam gearbeitet und beim Gegenbesuch gemeinsam Sport getrieben. Wie finden Sie es, liebe Leserinnen und Leser, dass in einer WfbM eines christlichen Trägers durch Menschen mit Behinderung auch Waffenteile (nach Aussage der Werkstatt nur für den zivilen Gebrauch) hergestellt werden? Wir erfuhren beim Werkstattrundgang auc...

Um was geht es hier eigentlich? oder "Wer Inklusion will, findet Wege. Wer nicht, Begründungen."

Liebe Leserinnen und Leser, in dieser Woche war Vorbereitungswoche. Morgen beginnt das Schuljahr 2023/2024. Also Zeit für uns Pädagoginnen und Pädagogen für Vorbereitung und gegenseitige Fortbildung. Deshalb habe ich gemeinsam mit einer Kollegin über unsere Fortbildung via Erasmus+ in Nizza berichtet: "Designing Inclusive Learning Environments to Support all Students" (Inklusive Lernumgebungen schaffen, um alle Schüler zu unterstützen). Ein Bild, das ich dabei nutzte, war dieses: Das Bild zeigt drei unterschiedlich große Menschen, die hinter einer Absperrung stehen, um ein Ballspiel zu sehen. Alle drei bekommen denselben Kasten, auf dem sie stehen können. Dabei sieht der Kleinste immer noch nichts. Nur wenn der größte Mensch seinen Kasten an den kleinsten abgibt, kann der körperlich Kleinste auch etwas sehen. Im dritten Bild ist die Absperrung durch ein Netz ersetzt und alle können das Spiel sehen. Überschrieben ist dieses Bild mit "Gerechtigkeit". Soll heißen, wenn...