Direkt zum Hauptbereich

Schubladen und Skifahren - Drawers and Skiing

Heute wieder ein neuer Zwischenstand zu meiner Jobsuche:

Als ich vor kurzem eine Informationsveranstaltung für die pädagogische Arbeit in Betreuten Wohngruppen besuchen wollte, erkundigte ich mich beim Träger vorher, ob überhaupt eine der Wohngruppen rollstuhlzugänglich ist - nein, keine.

Obwohl ich nun jeden Tag mit der Herausforderung einer nicht barrierefreien Umwelt lebe, bin ich doch manchmal über das Schubladendenken überrascht, das hinter dem Barrierenbauen steckt: Jugendliche mit Körperbehinderungen können nicht gleichzeitig sozial auffällig sein, denn dafür haben wir keine Wohngruppen.

Ein anderes Beispiel für Schubladendenken: Eine Frau im Rollstuhl ist nicht von Gewalt betroffen. Was glauben Sie, liebe Leserinnen und Leser, wie viele Plätze in Frauenhäusern in Berlin rollstuhlgeeignet sind?

Einer.

Der gleiche Träger, über den ich eben berichtete, hatte nun eine Stelle für eine Ganztagsbetreuung in einer Schule ausgeschrieben, in der Vielfalt Programm ist: Gemeinschaftsschule, d.h. 6 der 10 Schuljahre verbringen die Schüler gemeinsam, angestrebt werden 10 und (wenn möglich) 13. 50 % der Schüler haben eine andere als die deutsche Staatsbürgerschaft, 88 % sprechen nicht Deutsch als Muttersprache, es gibt Kinder mit Schwierigkeiten beim Lernen oder/und im sozialen Bereich.
Quartiershalle, Elternzentrum, Ganztagsbetreuung für die Grundstufe bis 18 Uhr möglich, Schulstation, Streitschlichterprojekte, Stipendien, jahrgangsübergreifendes Lernen, individuelle Lernzeiten, Zusammenarbeit mit Musikschule, Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, Polizei - hier entsteht seit einem Brandbrief von engagierten Lehrern 2006 ein ganzer Campus für Bildung und Zusammenleben!

Also dachte ich mir, "Das ist der richtige Ort zum Bewerben und ein Projekt, an dem ich gern mitarbeiten würde!"

Ich wurde zum Bewerbungsgespräch in die Grundstufe im Ganztagsbetrieb eingeladen und hatte gestern einen Probearbeits- und Hospitationstag.

Noch gibt es zwar keine definitive Zusage, aber es fühlt sich gut an: aufgeschlossene KollegInnen und neugierige Kinder. Dennoch (noch) keine Rampe an der Eingangsstufe, die anderen Gebäude sind nur über Treppen zugänglich. "Wir haben bisher wenig Erfahrung mit Rollstuhlfahrern, aber wir werden es versuchen."

Für die Kinder ist es kein Problem: "Du kannst nicht laufen - ich kann auch nicht Ski fahren!"

Update: Absage. "Es ist uns im Moment eine Baustelle zuviel, aber wir würden Ihre Bewerbung gern da behalten, weil wir uns schon vorstellen könnten, in der Zukunft mit Ihnen zusammenzuarbeiten."

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Kann ein UNESCO-Schulfest heute noch exklusiv sein? Oder wollen "die" wirklich nicht?

Der Festzug aus der Perspektive hinter der Absperrung.  Morgen ist es wieder so weit. Die Kamenzer Schülerinnen und Schüler ziehen mit Blumen und in festlicher weißer Kleidung durch die Kamenzer Innenstadt, um das Forstfest, DAS sächsische Heimat- und Schulfest, zu begehen. Das Forstfest geht auf eine Legende zurück, bei der Kinder in weißer Kleidung in den Kamenzer Forst zogen, um eine Belagerung der Stadt durch die Hussiten zu verhindern - erfolgreich. Seit 2021 ist das Kamenzer Forstfest nun auch noch in das  Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden. Grundlage dafür ist ein Übereinkommen der UNESCO, das Deutschland unterschrieben hat. Und bei der UNESCO geht es nicht nur um Kultur, sondern immer auch um Bildung, um inklusive Bildung. Und inklusiv - das ist das größte sächsische Heimat- und Schulfest wirklich nicht.  Am oben beschriebenen Festzug nehmen alle Grundschulen, Oberschulen und das Gymnasium teil, die Förderschulen nicht. Es gib...

Waffenteile in WfbM, Fahrstuhl-TÜV und Kitas ohne Kinder

In dieser Woche war ich in einen fächerverbindenden Unterricht zum Thema "Albert Schweitzer" und seiner "Ehrfurcht vor dem Leben" eingebunden, für die erste der 5. Klassen an unserem Gymnasium. Albert Schweitzer würde am 14. Januar 2025 seinen 150. Geburtstag feiern. Albert Schweitzer Quelle: Wikipedia Oft bin ich überrascht und beeindruckt, was für Ideen und Fragen die Fünftklässler entwickeln: Wäre Albert Schweitzer heute für Inklusion? Welche Einstellung hätte Albert Schweitzer heute zum Ukraine-Krieg? In Zusammenhang mit dem fächerverbindenden Unterricht haben wir auch eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) nicht nur besucht, sondern gemeinsam gearbeitet und beim Gegenbesuch gemeinsam Sport getrieben. Wie finden Sie es, liebe Leserinnen und Leser, dass in einer WfbM eines christlichen Trägers durch Menschen mit Behinderung auch Waffenteile (nach Aussage der Werkstatt nur für den zivilen Gebrauch) hergestellt werden? Wir erfuhren beim Werkstattrundgang auc...

Um was geht es hier eigentlich? oder "Wer Inklusion will, findet Wege. Wer nicht, Begründungen."

Liebe Leserinnen und Leser, in dieser Woche war Vorbereitungswoche. Morgen beginnt das Schuljahr 2023/2024. Also Zeit für uns Pädagoginnen und Pädagogen für Vorbereitung und gegenseitige Fortbildung. Deshalb habe ich gemeinsam mit einer Kollegin über unsere Fortbildung via Erasmus+ in Nizza berichtet: "Designing Inclusive Learning Environments to Support all Students" (Inklusive Lernumgebungen schaffen, um alle Schüler zu unterstützen). Ein Bild, das ich dabei nutzte, war dieses: Das Bild zeigt drei unterschiedlich große Menschen, die hinter einer Absperrung stehen, um ein Ballspiel zu sehen. Alle drei bekommen denselben Kasten, auf dem sie stehen können. Dabei sieht der Kleinste immer noch nichts. Nur wenn der größte Mensch seinen Kasten an den kleinsten abgibt, kann der körperlich Kleinste auch etwas sehen. Im dritten Bild ist die Absperrung durch ein Netz ersetzt und alle können das Spiel sehen. Überschrieben ist dieses Bild mit "Gerechtigkeit". Soll heißen, wenn...