Sonntag, 20. Dezember 2015

Lokführer und Lametta

Das Thema Lokführer, Triebfahrzeugführer heißen sie ganz korrekt, scheint mich nicht loszulassen.

Vor ein paar Tagen morgens beim Einsteigen in die S-Bahn meine Konversation mit dem Lokführer der Ringbahn (Berlinerinnen und Berliner wissen, das ist die, wo man morgens um 8 mehr Körperkontakt hat als einem lieb ist.):

"Können Sie mir bitte reinhelfen?"
"Nö. Fragen Se die Aufsicht."
"?!" Dieser Fahrer schien die eigenen Serviceregelungen der BVG nicht zu kennen.
"Ist außerdem eh zu voll, sehn Se ja."

Ich wende mich also an die Aufsicht und die Minuten meines Arbeitsweges verstreichen. (Meine Bahn war inzwischen auch weg.) Die Mitarbeiterin setzt nun zu einem Vortrag an, bei dem sie mir erklärt, wann die Aufsicht fürs Rampeanlegen zuständig sei und wann der Triebfahrzeugführer. Inzwischen kommt die nächste Bahn, ich lasse die Aufsicht mit ihrem Vortrag allein und bitte einen Fahrgast, mir per Hand zu helfen.

Am Nachmittag hatte ich dann noch einen Termin im Abgeordnetenhaus und auf der Fahrt dorthin das komplette Kontrastprogramm:

Der Fahrer sieht mich, steigt aus der U-Bahn.

"Wo wolln Se hin?"
"Wittenbergplatz."
"Det is ne jute Idee."

Dort angekommen:

"Sie wolln doch bestimmt umsteigen in die U2?"
"Stimmt." Die befand sich gegenüberliegend an der anderen Seite des Bahnsteigs.
"Da schieb ick Sie gleich hin." Er winkte seinem Kollegen: "Rolli an Bord!"
Der wiederum fragte mich gleich: "Wo wolln Se hin?"
"Potsdamer Platz."
"Da komm ick dran vorbei."

Beim Aussteigen sagt er dann noch:

"Ein Glück, det Se mich jetroffen haben, die andern hätten sich verfahrn." Herrlich!

Letzte Anekdote:



Vor kurzem war ich mit einer Kollegin gemeinsam mit dem Taxi unterwegs. Wir unterhielten uns mit dem Taxifahrer - wie soll es anders sein - über Weihnachtsbräuche und er sagte, er würde jedes Jahr seine Familie mit einem langen Gedicht über Lametta und Sauerkraut beglücken, erst würden seine Lieben meist die Augen verdrehen und sich dann vor Lachen nicht mehr einkriegen.

Wir baten ihn, es doch vorzutragen - während wir im Stau standen - doch er sagte: "Ich kann es nicht komplett auswendig, ich bringe es Ihnen morgen ins Büro, wenn Sie wollen." Und tatsächlich: am Freitag Abend stand er vor der Tür des Paritätischen Berlin und übergab mir in 4-seitiger Papierform - die Schrift sah nach Schreibmaschine aus - dieses Gedicht vom "Lamettabaum".

Er sollte recht behalten, ich hab gelacht.

Genau diese kleinen Gesten sind es, die ich Ihnen und uns allen nicht nur in der Vorweihnachtszeit wünsche.

Frohe Weihnachten, liebe Leserinnen und Leser!


Sonntag, 22. November 2015

Wer hat hier was zu sagen? Von rampenlosen Bühnen und beinlosen Lokführern

Liebe Leserinnen und Leser, es gibt im Moment vieles, über das ich schreiben könnte - 2 Anekdoten habe ich ausgewählt:

1) In dieser Woche war ich zu einer Veranstaltung eingeladen, bei der es um Inklusion und Partizipation und gute Schule ging. Thematisch gut vorbereitet - von Kinderrechten über Partizipationsprojekte bis zu Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte.

So weit, so gut.

Veranstaltungsort: der Festsaal in einer großen Einrichtung der Behindertenhilfe am Rande der Stadt.

Gleich beim Ankommen sehe ich eine Rampe aufs Podium - ca. 35% Steigung. Außer mir war auch noch eine Lehrerin eingeladen, die Rollstuhlfahrerin ist. Von ihr erfuhr ich, dass die Rampe erst während der Veranstaltung angebracht wurde, nachdem sie darauf bestand.
Wer hat hier was zu sagen?
Nach der Veranstaltung wurde die Rampe übrigens wieder entfernt.

Der Festsaal in einer Einrichtung der Behindertenhilfe hat keine Rampe auf die Bühne - mir fallen dazu viele Fragen ein: Wer feiert sich hier? Und wer hat hier was zu sagen?







2) Im Büro bekam ich vor kurzem einen Anruf aus einem Integrationsfachdienst.

"Kennen Sie behinderte Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt?"
 (Das meint er doch jetzt nicht ernst?!)
"... Ja, kenne ich."
"Aber derjenige muss eine sichtbare Behinderung haben?"
(Seit wann ist das denn ein Einstellungskriterium?)
"Das kann ich auch bieten."
"Ja, an Sie dachte ich auch schon!"
"Eine Journalistin rief mich an für eine Reportage zum 3. Dezember. Am besten ist es, wenn Sie mal selber mit ihr sprechen."

Das habe ich dann auch getan.

"Ich suche einen Menschen mit Behinderung mit einem ungewöhnlichen Beruf - z. B. einen Arzt im Rollstuhl."
"In Halle arbeitet ein Chirurg im Rollstuhl."
"Es muss schnell gehen. Am besten hier in Berlin."
"Hier kenne ich keinen Arzt im Rollstuhl. Aber ich hab auch einen interessanten Beruf - ich halte Vorträge, bereite Veranstaltungen vor, arbeite mit Schülern, Studierenden und Lehrkräften."




"Aber Sie arbeiten bei einem Wohlfahrtsverband. Dort arbeiten doch bestimmt viele behinderte Menschen?!"
"Naja, die Zahl ist eher überschaubar. Kleiner als zwei. Ich bin dort die erste Referentin mit Behinderung seit 65 Jahren."
"Das ist ja interessant. Da hat Ihr Arbeitgeber sicherlich viel für Sie umgebaut und das hat bestimmt viel gekostet."
"Das hielt sich in Grenzen."
"Aber ich suche jemanden, der viel unterwegs ist."
"Das bin ich."
"Ich muss Sie das fragen: Wie alt sind Sie?"
Jetzt reichte es mir mit den Klischees und Vorurteilen.
"Für wen recherchieren Sie eigentlich für diese Reportage?"

(Ich sah mich mittlerweile schon bei "Vera am Mittag" auf der Couch.)

"Für die Aktion Mensch. Die bringt im Dezember das Inklusionsbarometer zum Thema Arbeit heraus. Und die sucht eben jemanden, der was Ungewöhnliches macht, auch in der Freizeit." (Ich gehe in Museen und Ausstellungen und vielleicht auch mal Sushi essen.)

"Und an wen denkt der Auftraggeber da?"

"Z. B. an einen Lokführer ohne Beine."

(Ich habe dann nicht mehr erwähnt, dass ich für bestimmte Berufe die Funktionsfähigkeit aller vier Gliedmaßen für nicht unwesentlich halte.)

Und auch hier stelle ich mir abschließend Fragen: Bis zum Jahr 2000 waren für Aktion Mensch behinderte Menschen "Sorgenkinder". Jetzt sollen es Supermänner und -frauen sein, Lokführer ohne Beine, die in der Freizeit Bungee Jumping machen.

Von einem respektvollen Umgang mit behinderten Menschen auf Augenhöhe, von einem Umgang, bei der die Persönlichkeit im Vordergrund steht, sind wir noch weit entfernt.

Samstag, 29. August 2015

BUGA, Bahn, Betriebsausflug...

Eigentlich sollten Betriebsausflüge ja Spaß machen... Aber von vorn:

Am 5. Mai, dem Europäischen Protesttag zur Gleichstellung behinderter Menschen, habe ich bei einem Fachtag einen Vortrag zum Thema "Was ist die Behinderten-Rechts-Konvention?" in Leichter Sprache gehalten. Das - und das ist jetzt die ganz, ganz kurze Fassung der Geschichte - war einer der Gründe dafür, weshalb ich heute, d. h. seit dem 01. Juli 2015, Referentin für das Referat Menschen mit Behinderungen beim Paritätischen Landesverband Berlin bin. Die erste Referentin mit Behinderung seit 65 Jahren - auch das wäre einen eigenen Blogpost wert.

Und in der letzten Woche war der erste Betriebsausflug geplant - zur Bundesgartenschau BUGA nach Brandenburg/Havel. Wir trafen uns am Bahnhof Charlottenburg, um gemeinsam mit der Regionalbahn nach Brandenburg an der Havel zu fahren.

Weil ich ja weiß, dass beim Reisen nicht immer alles klappt, habe ich vorher nochmal auf die Webseite der BUGA geschaut und da liest man dann:


ANREISE MIT BUS & BAHN
Die barrierefreie Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist ebenfalls möglich. Auf den Streckenabschnitten zwischen den fünf Standorten werden ausschließlich barrierefreie Fahrzeuge eingesetzt.
Die Bus- & Straßenbahn Haltestellen an den Ausstellungsgeländen sind alle barrierefrei ausgebaut.
Bitte beachten Sie bei Ihrer Reiseplanung die allgemeinen Beförderungsbedingungen der Verkehrsverbünde und Verkehrsunternehmen. Eine Beförderung erfolgt im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten.

So weit so gut.

Zur Sicherheit also nochmal auf die Seite der Berliner Verkehrsbetriebe:

Richtung Brandenburg, HauptbahnhofFahrzeuggebundene Einstiegshilfe vorhanden, Fahrradmitnahme möglich, SnackPoint/Imbiss im Zug

Fahrzeuggebundene Einstiegshilfe meint eine ausklappbare Rampe, die im Fahrzeug mitgeführt, bei Bedarf ausgeklappt wird und den Abstand zwischen Zug und Bahnsteig überbrückt. Das ganze dauert nicht länger als eine Minute.


Und schließlich habe ich meine Reise noch beim Mobilitätsservice der Bahn angekündigt und den Ausdruck mitgenommen - da stehen dann auch so Dinge, wo man sich mit dem Servicepersonal trifft - in diesem Fall am Zuganfang.

Wir kommen also auf dem Gleis in Berlin-Charlottenburg an, der Zug fährt ein - kein Personal zu sehen. Der Lokführer sieht mich, winkt aus seinem Fahrerhäuschen (bestimmt gibt es dazu eine korrektere Bezeichnung) und ruft, dass wir in der Mitte einsteigen sollen.

Irgendwann erscheint dann eine Zugbegleiterin:

"Sie hätten sich anmelden sollen!"

"Guten Morgen erstmal. Das habe ich."

"Is hier nich angekommen."

Irgendwann knallt sie die Rampe auf Bahnsteig und Zug, beim Ausstieg geht es dann besser.

Auf der BUGA sind tatsächlich Leihrollstühle vorhanden und auch die Zugänge zu den meisten Themenbereichen sind rollstuhlgerecht.

Eine rollstuhlgerechte(s) Toilette(nhäuschen) gibt es auch. Die Rampe aus Metall davor ist nur leider 10 cm vom Türeingang entfernt. Zum Glück ist eine Kollegin in der Nähe. (Danke!)

Zu Mittag essen wir in einem wunderschönen, historischen Restaurant. Ich erkundige mich nach dem Vorhandensein einer rollstuhlgerechten Toilette (weil auf der Webseite kein Hinweis drauf ist):

"Ja, haben wir."

Zuerst geht die Tür schwer auf - eine Kollegin hilft mir. (Danke!) Beim Rausgehen geht gar nix mehr - ich klopfe von innen, dass mir jemand aufmacht. Und wieder eine "nette" Servicekraft: "Da isn Türöffner. Wo Türöffner druffsteht, is ooch Türöffner drin." Ich schau mich um, da ist so etwas wie ein kleines Holzstück, in das "Tür öffnen" geritzt ist. Hatte ich schon mal erwähnt, dass zur Barrierefreiheit neben Zugänglichkeit und Nutzbarkeit auch Auffindbarkeit gehört?

Bei der Rückfahrt werde ich dann in die Bahn gehoben - wieder kein Personal zu sehen. Der Ausstieg klappt dann (wieder) besser.

Es war trotzdem ein schöner Ausflug, der erste seit ziemlich langer Zeit. Und dennoch frage ich mich:

Wenn die BUGA ein touristisches Highlight sein soll, würde es Sinn machen, den Service für Gäste mit Behinderung zu verbessern?

Z.B. bessere Beschilderung, aufmerksameres und freundlicheres Personal.

Liebe BUGA, das ist doch für wenig Geld machbar, oder?

Bessere Beschilderung, aufmerksameres und freundlicheres Personal - das sind auch meine Hinweise an die Regionalbahn.

Und was die Übermittlung der Anfrage durch den Mobilitätsservice angeht: Ist es tatsächlich notwendig, für eine 60-Sekunden-Hilfeleistung mit einem im Zug vorhandenen Hilfsmittel, vorher einen Antrag zu stellen?

"Fünf sind eins. Deins.", das ist der Slogan der BUGA.

Mit diesen kleinen Verbesserungen könnte sie auch meine (und die für viele andere Menschen) werden.


Sonntag, 7. Juni 2015

Etikettenschwindel oder Ich mag keine Inklusionspreise.

Am letzten Wochenende war ich Teilnehmerin einer Podiumsdiskussion auf der INKLUSIVE2015. Und mein letzter Satz war:
Nach einem Beispiel für einen solchen Etikettenschwindel muss ich nicht lange suchen:

Das Land Berlin vergibt seit 2003 einen Inklusionspreis für Betriebe, die schwerbehinderte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigen. In diesem Jahr ist das wieder so.

Bis vor ein paar Jahren hieß der Preis noch Integrationspreis. Dass ein bloßer Namensaustausch noch lange nicht automatisch wirklich gleichberechtigtes Miteinander bedeutet, kann man ganz gut an diesem Preis erkennen.

Schon in der Überschrift der Ausschreibung spricht der Senat von Berlin von “behindertenfreundlichen” Unternehmen, die gesucht werden. Inklusion meint aber nicht Freundlichkeit, sondern Gleichberechtigung.

Noch weniger inklusiv wird es dann bei den Vergabekriterien: Zunächst werden die Betriebe nach dem Vorhandensein einer Schwerbehindertenvertretung und einer Integrationsvereinbarung nach § 83 SGB IX gefragt. Sicher leisten viele Schwerbehindertenvertreter und – vertreterinnen gute Arbeit, aber das bloße Vorhandensein sagt noch nichts über deren qualitative Arbeit oder deren Mitwirkungsrechte aus.

Als nächstes werden die Unternehmen gefragt, ob sie Aufträge an Werkstätten für behinderte Menschen erteilen.
Wenn ein Unternehmen Aufträge an Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) vergibt, tut es für das gleichberechtigte Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung – nichts. Die Nutznießer der Verträge an WfbM sind die Betriebe, in denen nichtbehinderte Menschen arbeiten, weil
  • sie ihre Aufträge zu günstigen Konditionen erteilen können
  • die behinderten Menschen nur ca. 180 € monatlich verdienen
  • sie dann noch ihre Ausgleichsabgabe für nichtbesetzte Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen um die Hälfte des Rechnungsbetrages reduzieren können.
Zum Schluss wird dann noch gefragt, welche Maßnahmen für den behinderten Mitarbeiter getroffen wurden: “Besonderer Parkplatz”, “Behinderungsgerechte Arbeitsplatzgestaltung” und wieviel das alles den Arbeitgeber gekostet hat. Keine Frage dazu, welchen Nutzen das Unternehmen aus der Beschäftigung eines schwerbehinderten Menschen gezogen hat.

Gleichberechtigte Teilhabe geht anders. Ich will lieber Geschichten hören, wie beide Seiten von der Zusammenarbeit lernen, sich entwickeln, gemeinsam profitieren und gleichberechtigt zusammenarbeiten.

Übrigens: Der Preis ist seit 2008 mit insgesamt 30.000 EUR dotiert, er geht an ein Kleinunternehmen, ein mittelständisches Unternehmen und ein Großunternehmen. 30.000 EUR jährlich seit 8 Jahren = 240.000 EUR - ich würde die ja eher einsetzen für die Unterstützung der vielen Tätigkeiten, die behinderte Menschen im Land Berlin bisher ehrenamtlich und meist ohne wirksame Partizipation erbringen: in Beiräten oder in Verbänden. Oder in die Förderung behinderter Schulabgängerinnen und Schulabgänger, z. B. in den geplanten Jugendberufsagenturen.

Das wäre Inklusion im Original: partizipativ und nachhaltig.

Mittwoch, 3. Juni 2015

Fachkräftemangel? Oder: "Ich will mehr!"

Bücher 
In der letzten Woche traf ich eine Studentin, die mich so begrüßte: "Sie sind doch die Frau Pohl, die mit uns in Birkenwerder immer Bewerbungstraining und Berufsorientierung gemacht hat!"

Ich erinnerte mich...

Sie hätte nach der Integrationsschule und dem Abitur eine Ausbildung zur Bürokauffrau in einem Berufsbildungswerk gemacht. "Eine ganz andere Welt... ich wollte mehr."

Jetzt studiere sie mit Assistenz hier an der Hochschule.

(Also doch nicht alles falsch gemacht, dachte ich... und schmunzelte.)

Und dann gingen wir in Gedanken ein paar ehemalige Mitschülerinnen durch, was die jetzt so machen: "Die eine arbeitet im Zentrum Selbstbestimmt Leben, die hat sich ihren Arbeitsplatz selber geschaffen und die andere hat sich berenten lassen. Ich wurde das auch schon gefragt. Aber ich will mehr." 


Breites Grinsen... auf beiden Seiten.

Nach diesem Gespräch war ich einerseits erfreut, dass meine Arbeit wirklich Früchte getragen hat, aber auch traurig (und sauer) darüber, dass gut ausgebildete, körperbehinderte junge Menschen am Anfang ihres Berufslebens als erstes in Rente geschickt werden.

(Hat hier jemand was von Fachkräftemangel gesagt?)

Donnerstag, 16. April 2015

Realitäts-Check Inklusion



Das ist der Mitschnitt eines der Highlights meines Berufs.

Wir haben am 25. März 2015 im Berliner Abgeordnetenhaus an 4 Berliner Nachbarschaftshäuser das Signet "Realitäts-Check Inklusion" verliehen. Es bedeutet, dass sich diese 4 Häuser


auf den Weg gemacht haben, einen zweiten und dritten Blick von außen auf mögliche Zugangs-, Nutzungs- und Teilhabebarrieren zu werfen und diese dann gemeinsam abzubauen.

Und ich bin ein bisschen stolz, dass wirklich das "Who's who?" der Berliner Sozialpolitik da war:

der Präsident des Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland, der Staatssekretär für Soziales, Dirk Gerstle, der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung, Dr. Jürgen Schneider, die sozialpolitischen Sprecher der Fraktionen des Berliner Abgeordnetenhauses, die Behindertenbeauftragte aus Berlin-Mitte, Hildrun Knuth, Martin Zierold, Gerlinde Bendzuck und Gerd Miedthank.

Samstag, 11. April 2015

Inklusion ist Entwicklung. Für alle Seiten.

Zum Ende unseres Projektes häufen sich die Anfragen (und ich finde das gut :-).

Deshalb habe ich dem Radio 88vier ein Interview zu Inklusion, Barrierefreiheit, Gemeinwesenarbeit, selbstbestimmtem Leben und Willkommenskultur gegeben.


Entstanden ist das Interview während der Qualifizierungsreihe "Brücken bauen für mehr Teilhabe und Inklusion" im Nachbarschaftshaus Urbanstrasse.
Ausgestrahlt wird es komplett am 25. April 11:00 Uhr im "Kaleidoskop"von Radio 88vier.



Freitag, 6. Februar 2015

Das wichtigste Wort in der Behindertenrechtskonvention ist nicht Inklusion, sondern...

Meine Kolleginnen und Kollegen von der Stadtteilzeitung Steglitz-Zehlendorf (einer der 12 Stadtbezirke Berlins) haben mich gebeten, meine Sichtweise zum Schwerpunktthema "Inklusion", das in der Märzausgabe behandelt wird, darzustellen.

Also bitte:

Inklusion bedeutet - wörtlich übersetzt - Einschluss. Inklusiv ist eine Gesellschaft, die die gleichberechtigte Teilhabe und aktive Partizipation aller Menschen ermöglicht.

Und da beginnt dann schon das erste Missverständnis:
"Inklusion ist das wichtigste Wort in der UN-Behindertenrechtskonvention." 
Nein. Inklusion ist ein Wert, ein Prinzip in der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (so heißt sie wirklich), um das zu erreichen, worum es in dieser Konvention eigentlich geht: Gleichberechtigung. Andere Werte und Prinzipien, die auch meist zu wenig mitgedacht  werden, wenn es um Inklusion geht, sind: Partizipation, Barrierefreiheit, Selbstbestimmung, Nichtdiskriminierung, angemessene Vorkehrungen und Würde.

Missverständnis Nr. 2:
"Inklusion muss man einfach leben."
Nein. Inklusion setzt voraus, dass wir alle um die unterschiedlichen, eben (noch) nicht gleichberechtigten Zugänge zur physischen Umwelt, zu Informationen, zu Kommunikation, Kultur, Gesundheit, Arbeit und Bildung wissen. Denn erst, wenn ich um diese strukturellen, baulichen, informationellen und einstellungsbedingten Barrieren weiß, kann ich sie abbauen - und dadurch Gleichberechtigung ermöglichen. Wenn ich das will.

Und schließlich noch dieser Satz, der gern von Politikerinnen und Politikern verwendet wird:
"Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe."
Dem Satz stimme ich zwar zu, aber ich nehme ihn den meisten Politikerinnen und Politikern nicht ab, denn:

Warum wird dann der Sonderfahrdienst, den das Land Berlin vorhält, nicht auch von allen Verkehrsunternehmen und dem Land Berlin mitfinanziert?
Warum machen wir dann nicht aus der Ausgleichsabgabe nach § 77 SGB IX, die Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitenden zahlen, einen Inklusionsfonds, in den alle Betriebe einzahlen?
Warum gibt es dann nicht klare Vorgaben für Barrierefreiheit für kulturelle Großveranstaltungen - wie derzeit die Berlinale? Lediglich 3 der ca. 440 angebotenen Filme werden mit Audiodeskription, also mit zusätzlichen Beschreibungen für blinde Menschen angeboten.

Letzte Aussage zum Thema Inklusion, die auch nicht stimmt:
"Mit den Menschen mit Behinderung zusammen wollen wir Nachteile und Barrieren beseitigen, ohne neue Privilegien zu schaffen... Es geht darum, für alle Menschen einen gleichen und gleichartigen Zugang zu Unterstützungsstrukturen und Sicherungssystemen zu gewährleisten."
Nachteilsausgleiche, hier als "Privilegien" bezeichnet - welche waren das doch gleich? Die 5 Tage Zusatzurlaub, auf die ca. 15% der schwerbehinderten Menschen einen Anspruch haben?

Nachteilsausgleiche sind keine Privilegien.
Und auch die Behindertenrechtskonvention soll und will ausdrücklich keine Privilegien schaffen, sondern Gleichberechtigung.

Gleichberechtigung - meint nicht Gleichheit. Gleichheit würde das bedeuten:


Wo ich die Aussage zu "Privilegien" behinderter Menschen gelesen habe?
In einem Beschluss des Parteivorstands der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

"Heute Nachmittag Café Klostertor?"

Liebe Leserinnen und Leser, "Heute Nachmittag Café Klostertor?", war die Reaktion meiner Schulleitung, als ich ihr in dieser Woche...