Montag, 21. Juli 2014

Wie wird man/frau/mensch (Landes)behindertenbeauftragte/r?

Ich beginne mit einer Begegnung vom 05. Mai 2014, dem Europäischen Protesttag zur Gleichstellung behinderter Menschen.

Dort traf ich eine gute Bekannte, auch Rollstuhlfahrerin, aus Potsdam in Begleitung eines jungen Mannes, der ihr was reichte und sich dann abmeldete. Bestimmt ein Assistent, dachte ich, aber weit gefehlt...

Der junge Mann ist 29 Jahre, nicht behindert und zum ersten Mal in Potsdam und jetzt Behindertenbeauftragter der Stadt Potsdam. Hier schließen sich meine ersten Fragen an:

  • Wie werden solche Stellenausschreibungen gestreut, dass sie wirklich auch von qualifizierten, behinderten Menschen wahrgenommen werden? Obwohl ich wirklich einige Mailinglisten lese, hat mich diese Stellenausschreibung nicht erreicht.
  • Und: Sind diese Stellenausschreibungen auch screenreadertauglich, sodass sie auch blinde Menschen lesen können?
Nach Berlin: hier endet am 20. Februar 2015 die Amtszeit des derzeitigen Landesbehindertenbeauftragten.

Entsprechend des Landesgleichberechtigungsgesetzes Berlin, § 5, beruft der Senat von Berlin im Einvernehmen mit dem Landesbeirat für Menschen mit Behinderung den oder die Landesbehindertenbeauftragte/n.

Im Landesbeirat sind 15 stimmberechtigte Mitglieder verschiedener Träger der Selbsthilfe, Selbstvertretung und Behindertenhilfe.

So weit, so gut.

Ich bin inzwischen von mehreren Menschen, die behindertenpolitisch unterwegs sind, gefragt worden, ob ich mir die Arbeit als Landesbehindertenbeauftragte zutrauen würde  - ich hab ne Weile drüber nachgedacht: Ja, ich kann mir das vorstellen und gerne auch als Teilzeitstelle im Tandem mit einem Kollegen bzw. einer Kollegin. Das würde übrigens auch ein Zeichen setzen, dass auch Menschen mit verminderter Leistungsfähigkeit eine solche Stelle ausüben können. Wie auch immer die Entscheidung ausfallen würde, zumindest wäre ich bereit, meine Bewerbung in den Ring zu werfen.

Doch genau dieses Bewerbungsverfahren gibt es nicht. Wie man dem Kurzprotokoll über die Beiratssitzung vom 07. Mai 2014 entnehmen kann, hat sich der Beirat bereits für eine zweite Amtszeit des derzeitigen 65-jährigen Beauftragten mit 30-jähriger Verwaltungserfahrung ausgesprochen.

Und hier gehen meine Fragen weiter:
  • Repräsentieren die Mitglieder des Beirats tatsächlich möglichst viele Menschen mit Behinderung in Berlin? Meine Beobachtung gerade bei jüngeren Menschen mit Behinderung ist, dass sie entweder eigene Vereine oder Projekte gründen, eher projektweise zusammenarbeiten und sich insofern von den großen, traditionellen Trägern unterscheiden.
  • Fühle ich mich als Frau mit Behinderung in der Arbeit des derzeitigen Landesbehindertenbeauftragten repräsentiert? Eher nicht. Im letzten Tätigkeits- und Verstößebericht über den Zeitraum 2011-2013 ging es um Kneeling und Tourismus. In dem für den Zeitraum 2009-2011 um das Jakob-Grimm-Zentrum und um inklusive Schule.
  • Wäre es nicht der wichtigsten behindertenpolitischen Funktion im Land Berlin angemessen, eine breite, transparente Debatte über Themen, Inhalte, künftige Schwerpunkte und mögliche Kompetenzen unterschiedlicher Bewerberinnen und Bewerber ins Leben zu rufen? Und Themen anzusprechen wie: Gewaltprävention für Frauen mit Behinderungen und Menschen in Einrichtungen, barrierefreies Gesundheitswesen, barrierefreie Prävention, die Anliegen von Eltern erwachsener behinderter Kinder, Persönliche Budgets, Budgets für Arbeit, Verwendung der Ausgleichsabgabe, Vergabekriterien des Inklusionspreises für Unternehmen, Jugendarbeitslosigkeit, Langzeitarbeitslosigkeit, Existenzgründung, Auswirkungen des Wegfalls des Vermittlungsauftrags der Integrationsfachdienste, Barrierefreiheit von Informationen und Dokumenten?
  • Wenn die Berufung durch den Berliner Senat erfolgt, welchen Einfluss haben dann die behindertenpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen im Senat und die aller Fraktionen im Abgeordnetenhaus auf die Entscheidung?
Ich hoffe, dass diese Fragen den einen oder die andere dazu anregen, die neue Beauftragung nicht nur durchzuwinken, sondern die Chance zur Debatte über dieses wichtige Amt und seine Inhalte zu nutzen.

Sonntag, 20. Juli 2014

Inklusion - nur im Original!

Neulich unterhielt ich mich mit meinem Kollegen über das, was Menschen am Ende ihres Lebens wahrscheinlich am meisten bereuen.

"Zuviel gearbeitet zu haben", meinte er.
Und kurz darauf: "Du wirst das nicht sagen."
"?!"
"Für dich ist das hier keine Arbeit, stimmt´s? Du würdest das hier sowieso machen."
Ich war verblüfft, weil... er das absolut richtig eingeschätzt hat.

Ja, meine Arbeit ist für mich keine Arbeit, kein Job. Ich bin tatsächlich im Moment in der besonderen Lage, dass mein Arbeitsfeld - Inklusion im Stadtteil - mich auch als privater und politischer Mensch beschäftigt und eine Herzensangelegenheit ist. (Ich weiß übrigens auch, wem ich diese Arbeit zu verdanken habe.) :-)

Und ich werd mein Bestes tun, dass es nach diesem Arbeitsvertrag in die Verlängerung geht...

Schließlich hat mich in den vergangenen Wochen meine ehemalige Hochschule gefragt, ob ich im Wintersemester 2014/2015 einen Lehrauftrag annehmen könnte.

Schon witzig, an meine ehemalige Schule war ich ja bereits mit einem Projekt zur Berufswegeplanung zurückgekehrt und nun an meine Hochschule (an eine von ihnen, um genau zu sein). Ich freue mich sehr und habe in der vergangenen Woche bereits einige der Studierenden und den Dozenten in einem Seminar kennengelernt.

Ich glaube, das wird eine gute Zusammenarbeit! Besonders gefallen hat mir diese Aussage des Dozenten: "Ich möchte, dass die Studierenden nicht alles als Inklusion hinnehmen, was als Inklusion verkauft wird."

Das war doch mein Satz, dachte ich...?! "Nicht überall, wo Inklusion drauf steht, ist auch Inklusion drin."

Beispiele dafür gibt es immer wieder: das jüngste ist der Inklusionspreis in Baden-Württemberg, der im Bereich Wohnen an die SKID Sozialkulturellen Integrationsdienste gGmbH gegangen ist. Ein Träger, der unterschiedliche Wohnformen behinderter Menschen sozialpädagogisch begleitet. Was daran preiswürdig inklusiv ist, ist für mich nicht wirklich erkennbar.

So ähnlich muss es der Geschäftsführerin des Stuttgarter Zentrums selbstbestimmt leben e. V. und der Vertreterin der Landesarbeitsgemeinschaft Baden-Württemberg Gemeinsam leben - gemeinsam lernen e. V auch gegangen sein, die beide die Jury inzwischen verlassen haben, weil ihrer Meinung nach "die Projekte dem Anspruch des Inklusionspreises nicht gerecht werden".


In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, dass Ihnen im Alltag möglichst viele Originale begegnen! Und einen Sonntag, der seinem Namen gerecht wird.


"Heute Nachmittag Café Klostertor?"

Liebe Leserinnen und Leser, "Heute Nachmittag Café Klostertor?", war die Reaktion meiner Schulleitung, als ich ihr in dieser Woche...